Kreuz ohne Haken - Obligo mit Martin Raabe
Es war ein intensiver Abend im Internat Marienau. Im Format des „Obligos“ (kurz für obligatorischer Abend) hatte die Schule Marienau am 21.9.2023 die Gruppe beherzt eingeladen.
Diese Initiative hat es sich in den vergangenen Jahren zur Aufgabe gemacht, über das Phänomen der völkischen Siedler zu informieren. Sabrina Panning-Ternes hatte den Sprecher der Gruppe, Martin Raabe, bei einer Veranstaltung in der Samtgemeinde Dahlenburg kennengelernt und daraufhin auch in die Schule eingeladen: „Das erste Mal habe ich im Rahmen eines Berichts von Spiegel Online von den völkischen Siedlern gehört, und ich war bestürzt darüber, wie organisiert dieser Zweig der rechten Szene in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ist. Das Mindeste, was ich dagegen tun kann, schien mir, die Arbeit der Gruppe beherzt zu unterstützen und für die Weitergabe der Information zu sorgen.“
Dass auch die Schülerinnen und Schüler mit voller Aufmerksamkeit dabei waren, war an der ruhigen Ausdauer der anderthalbstündigen Veranstaltung abzulesen. Die Gruppe beherzt formierte sich vor ca. 5 Jahren, als sich in der Region Lüneburger Heide gehäuft Menschen niederließen, die offensichtlich rechtsextrem denken und agieren. Symbole werden offen zur Schau getragen, ihr Lebensstil ist z.T. an ihrem äußeren Erscheinungsbild zu erkennen; auch fanden vermehrt Veranstaltungen in den ländlichen Gebieten statt wie z.B. eine „Eheleite“ (nicht-konfessionelle Trauung in völkischer Tradition) im Umkreis von Bad Fallingbostel, zu der bekennend Rechte aus ganz Deutschland anreisten. Personen mit rechter Gesinnung haben sich in der Region niedergelassen und kauften mehr und mehr alte Höfe auf, man spricht hier auch von völkischer Landnahme. Besonders drastisch ist dies im Fall Jamel im Kreis Uelzen, ein Dorf, das von rechts-nationalen Siedlern förmlich übernommen wurde, womit das Dorf es sogar in die BBC-Nachrichten schaffte.
Aufgrund dieser Phänomene bildete sich die Gruppe beherzt. Ihr Anliegen ist, über diese rechte Szene im ländlichen Raum zu informieren und ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt zu setzen. Das tun sie und inzwischen viele andere mit dem „Kreuz ohne Haken“, einem gelb-roten X aus Holz, das an vielen Höfen und Häusern zu sehen ist. „Wo dieses Zeichen zu sehen ist, macht es deutlich, dass hier kein Platz für rechte Gesinnung ist,“ so Martin Raabe.
Martin Raabe, der viele Jahre als Pastor im Auslandsdienst tätig war und nun als Kurator der Eleonore-Dräger-Stiftung arbeitet, widmet einen großen Teil seiner Lebenszeit der Aufklärungsarbeit. An seiner Seite sind mittlerweile mehr als 500 aktive Unterstützer*innen, die Gruppe ist Teil des Bündnisses für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt. Auch an diesem Abend begleiteten mehrere Mitglieder, Martin Raabe ist Sprecher und Gesicht der Gruppe – was nicht immer einfach ist und auch bedeutet, offenen Anfeindungen, nächtlichen Anrufen usw. ausgesetzt zu sein. Und dennoch engagieren er und alle anderen sich beherzt für die Aufklärung und gegen das Erstarken der rechten Szene. In seinem Vortrag wurde deutlich, wie weit verzweigt das rechte Netzwerk ist, nicht zuletzt findet es seinen politischen Ausdruck in der AfD. „Während der Veranstaltung war es manchmal gar nicht so leicht, zu unterscheiden, ob es gerade um die Geschichte von vor 100 Jahren geht oder um aktuelles Zeitgeschehen, denn Haltungen, Bilder und Aussagen sind offenkundig deckungsgleich“, sagte Geschichtslehrer Niklas Pröhm nach der Veranstaltung. „Da ich in meiner nächsten Unterrichtsstunde den Nationalsozialismus als Thema beginne, habe ich nach diesem Abend einen direkten und leider sehr aktuellen Aufhänger zum Einstieg.“
Das Publikum aus Schüler*innen, Eltern und Mitarbeiter*innen der Schule war sehr berührt vom Engagement der Gruppe und bestürzt über das Erstarken der Rechtsextremisten in Deutschland und speziell im ländlichen norddeutschen Raum. Ein längst vergangenes Kapitel der Geschichte scheint aktueller denn je, das ist für eine Schule wie Marienau aber auch für jeden einzelnen eine Herausforderung. Die Marienauer Gemeinschaft ist sehr dankbar für diesen Abend mit der Gruppe beherzt!